Obrigkeit Schule

- Chefkolumnist Epikur -

Wie so oft in den Ferien fand ich auch in den jüngst Vergangenen wieder einmal Zeit für Grundsatzüberlegungen. Und was übermannt fast jeden Schüler? Was kriecht schleimig in seine Gedanken und will am liebsten die Persönlichkeitsentwicklung für ihn übernehmen? Ja, ich spreche von der Schule, jene engagierte Einrichtung, die gleichartige Zahnräder züchten will und um die feste Bindung an Gesellschaft bemüht ist. Ich nenne es Abhängigkeit.

Da komme ich also zur Schule, halbwegs motiviert, mich anzupassen, und werde in der ersten Woche schon mit ihrer kühlen Härte gefoltert. Nachdem ich überrascht, obwohl erwartungsgemäß, drei mickrige Punkte in Chemie in Empfang genommen habe, und auch noch sechs weitere kleine Punkte in Deutsch meine gute Laune herausfordern wollten, stand noch die Rückgabe einer Religions- Klausur an. Genau, das habe ich auch gedacht. Ach, dachte ich, Religion, hast ja einigermaßen was Ordentliches hingeschrieben, das wird business as usual.

Die Stunde begann, wir bekamen unsere Klausuren zurück, ich sah es bei den anderen fünf Punkte regnen, alle einigermaßen zufrieden mit sich und anders herum doch wieder nicht- das ewige Gefühlsschwanken.

Dann bekam auch ich mein Heft. Ernüchtert muss ich erkennen, dass auch minderwertige Stinker einen ausgeprägten Willen zur Macht haben: Da hat mir diese aufsässige Nervensäge von Religionslehrer, dieser Arsch eines Nichts, doch tatsächlich rotzfrech und kackdreist zwei Punkte drunter geschmiert. Lehrer haben kein Benehmen, sie treten den Schülern zu nahe und penetrieren sie mit grenzenloser Pedanterie und Willkür. Schule ist ein schmutziges business.

Ohne zu zögern begann ich vor mich hin zu rumoren und schülersprechpraxisorientiert Flüche zu bellen, stellte mir ihn vor, wie er daheim an seinem Tischchen in seiner Butze hockt und meine Arbeit verreißt. Diesem Blutsauger würde ich jetzt nicht einmal mehr die Ehre zukommen lassen, mein Chauffeur zu sein. Und beim nächsten von- Mann- zu- Mann- Gespräch (Zensurenbesprechung vor der Tür) wird er wieder großspurig Anmaßungen durch die Gegend sabbern: "Ja, also, das Fach Religion, das is' ja auch ganz schön ernst zu nehmen und nicht immer einfach so Punkt Viele Schüler glauben ja immer, dass das so, aber nee, nee, das ist ein Fach so wichtig wie jetz' z.B. Deutsch oder Mathe (also mindestens). Und außerdem werden Zensuren ja auch manchmal pädagogisch..." Ih gitt, ist das ekelerregend, allein schon die Sprachästhetik wird hundsmiserabel sein. Und mit solch suppigem Gekodder werde ich fast täglich vollgekotzt. Das mein scheinbar nichtsnutziger Nihilismus in Wahrheit Bestandteil einer Loslösung ist, kann niemand von ihnen erkennen. Ich möchte dann bestimmt nur noch mein Ego heißluftballongroß aufblasen und etwas hochgradig Eingebildetes erwidern.

Er doziert gerade schon wieder etwas Verachtenswertes. Wir sollen penible "synoptische Vergleiche" anstellen. Seine eigene Blödheit fast schon karikierend äußert er nun noch das Vorhaben, unsere Mappen zu beschlagnahmen.

Bei diesem Lehrer bin ich eigentlich jetzt im Ungewissen: Ursprünglich hatte ich geplant, ihn in Ordnung zu finden, aber so ein grobes Fehlverhalten kann ich natürlich (bei der Zensurenvergabe...- Das Vokabular ist so schauderlich) nicht unberücksichtigt lassen.

Ich glaube, es wird das beste sein, sich regelmäßig zunächst der Schule und dann auf dem Klo zu übergeben. Immer ein unzertrennliches Gespann. So lautet der eleganteste Weg für Schüler von Format. Das machen Leute mit Rückrat, so sehen Sieger aus. Ich werde es allen zeigen, werde das beste Abitur in der Geschichte der Schule machen, um dann eine Rede vor dem versammelten Lehrerkollegium halten zu dürfen. Ich werde dann über Wert und Unwert von Bildung reden, werde alles relativieren, werde alles sabotieren, werde nicht funktionieren, werde sie alle vorführen und werde genießen, empörend zu sein.

Nach zwei Minuten kommt der Realist in mir wieder hoch: Ich muss unzufrieden feststellen, dass dieses meine Möglichkeiten ein wenig übersteigen dürfte. Ich erkenne meine Mittellosigkeit, bin verdrossen und in einer schweren Identitätskrise. Ich benötige Zeit, um über Grundsätzliches nachdenken zu können und Pläne zu schmieden.

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